Community Building

Community Building übersetzt als “Gemeinschaftsbildung” ist ein Format für Gruppenprozesse, entwickelt von Scott Peck in den 60er-70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.

Gleich vorab, um Missverständnissen vorzubeugen: es geht nicht darum, ein gemeinsames Wohnprojekt einzufädeln oder Menschen um ein Projekt zu versammeln und in die Tat umzusetzen. 

Die Ziele eines Community Building Workshops sind hingegen:
1. Authentische Beziehungen zu den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern
aufzubauen.
2. Persönliche Hindernisse in der Begegnung mit anderen zu erkennen und loszulassen.
3. Die Phase „Echter Gemeinschaft“ zu erleben: Eine Erfahrung von ungewöhnlicher
Sicherheit und besonderem Respekt.

Community Building versteht sich also als Erfahrung, ein Erleben einer besonderen Art menschlicher Begegnung und Qualität der Kommunikation. Sie zeichnet sich aus durch eine ungewöhnliche Tiefe der Authentizität, aufrichtige Menschlichkeit, außergewöhnlichen Respekt und einen weiten Raum für die Koexistenz und das Zusammenwirken individueller Unterschiede.

Diese Erfahrung stellt sich am Ende eines Prozesses ein, dessen Phasen wir auch zum Teil im Alltag begegnen. Jedenfalls den ersten beiden: Pseudo-Gemeinschaft und Chaos.

Ich unterhalte mich mit meiner Nachbarin über Urlaubserlebnisse, mit der Frau oder Mann an der Kasse über die Hitze, ich erzähle meinen Eltern von einem Buch. Mein Fokus liegt auf der Realität, die wir teilen und auf Erlebnissen oder Meinungen, die wir gemeinsam haben. Dabei bleibt es oberflächlich, oft nett und angenehm – Pseudo-Gemeinschaft. Pseudo, weil wir unsere Unterschiede für uns behalten oder sogar aktiv verstecken. Weihnachtsfeste in der eigenen Familie sind z. B. manchmal nur möglich, wenn wir untereinander abgemacht haben, bestimmte Themen um den Familientisch auszuklammern.

Sollten wir sie doch ansprechen also Unterschiede sichtbar machen, entsteht Chaos: wir wollen einander überzeugen, Ratschläge geben, aufzeigen, wo der andere im Unrecht ist. Die Stimmung fühlt sich entweder erhitzt an, schnell oder gespannt oder erstarrt. In der Regel unangenehm, gerne zu vermeiden.

Die Erfahrung von authentischer Begegnung jenseits dieser Meinungen und Positionen, der Trennung und Polarisierung, jenseits des schweren Schweigens oder sich Abwendens stellt sich ein, wenn ich bereit bin, meine Widerstände, meine Erwartungen, meine Panzer abzulegen und von mir zu sprechen anstelle über Themen; wenn ich bereit bin Verantwortung für mein Erleben zu übernehmen, es wahrzunehmen und zu benennen in der Phase der Leere.

Wie macht man das in einem Raum mit (noch) wildfremden Menschen?

Scott Peck hat uns ursprünglich 11 Leitlinien der Kommunikation an die Hand gegeben, sozusagen ein Handbuch der Umsetzung, die auch im Alltag Sinn machen.

Im Kern stehen:

  • Mache Ich-Aussagen. Sprich konkret und persönlich.

  • Sprich, wenn du bewegt bist zu sprechen. Sprich nicht, wenn du nicht bewegt bist zu sprechen.

  • Höre ganz und gar zu.

Als Folge entsteht Stille während des Prozesses. Es wird langsamer. Anstelle reflexartig zu reagieren, trage ich es eine Zeit in mir und beantworte Gehörtes.

Klaus Mertes schreibt in seinem Buch Herzensbildung von der Stille als Raum für Reflektion der eigenen Resonanz. Wie klingt das eben Gehörte in mir nach? Wie reagiere ich darauf? Möchte ich das mitteilen?

“…Die Kompetenz, gemeinsam Stille zuzulassen,… öffnet für innere Erfahrung.  Stille in einem leeren Raum klingt anders als Stille in einem mit Menschen gefüllten Raum, die sich gemeinsam der Stille öffnen.  Stille öffnet für das Hören. Hören als Kompetenz ist mehr als bloss äusserliches Anhören von Stichworten, die dem eigenen Sprechen Anlass bieten, das zu sagen, was man schon immer sagen wollte….

Die Kompetenz des Hörens wird durch Übungen der Stille erworben…, die die Reflexion auf das Gehörte erst ermöglicht. Der Akt der Reflexion ist seinerseits ein Hören..nach innen…”

Der Prozess bietet das Geschenk, den anderen Menschen tiefer kennenzulernen und ihm zu begegnen, nicht nur an der Oberfläche, sondern über ein weites Spektrum seines Menschseins. Und ich habe die Gelegenheit mir selber näher zu sein, mich besser zu verstehen und Hindernisse, möglicherweise Muster, die mich an der Begegnung hindern, zu verändern oder loszulassen.

…und vielleicht mag das dann doch noch dazu führen, dass ich nach dem Workshop mit anderen Teilnehmer*innen in vertrauensvollem Kontakt bleibe. So ist es mir passiert. Gute Freundschaften haben sich entwickelt, belastbar, ehrlich, Raum haltend für Berührbar- und Verletzlichkeit.

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Das Ammersee-Institut bietet 3-tägige Workshops und Skills Trainings (Seminar zu den Leitlinien der Kommunikation) an und 1-2 stündige Taster oder Einführungen, die Einblick in die Formate bieten an. Zusätzlich existieren monatlich stattfindende, kürzere Formate: ein lokales Treffen in Utting von 5 Stunden und ein internationales online-Format von 1,5 Stunden.

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Community Building ist möglich in offenen Gruppen (z.B. Studiumanfänger*innen, Nachbarschaftsinitiativen, Persönlichkeitsbildung) oder in bestehenden, geschlossenen Gruppen, die gemeinsame Ziele verfolgen (z. B. Arbeitsgruppen, Interessengemeinschaften, Wohnprojekte, religiöse Gemeinschaften). Es wird in den USA eingesetzt in sozialen Projekten (zur deutlichen Verringerung der Rückfallquote in Gefängnissen, im Dienst von Empowerment sozial benachteiligter Frauen).

 

Bild: Ilija Bosilj Bašičević (1895 – 1972)